Österreich: Sklaven am Bau

construction_800_x_600Fast immer kommt vielen Menschen in unserem Land beim Thema Menschenhandel „Prostitution“ in den Sinn. Dass dies auch ganz anders sein kann, zeigte ein gerichtsanhängiger Fall im September dieses Jahres. Dabei wurden von einer Bande Männer aus Rumänien mit falschen Versprechungen nach Österreich gelockt und auf Baustellen in Wien und Niederösterreich ausgebeutet. Fünf Männer im Alter zwischen 43 und 70 Jahren wurden wegen Menschenhandels angeklagt.

„Unseres Wissens handelt es sich dabei um den ersten Fall, wo von einem Strafgericht über Menschenhandel verhandelt wird, der zum Zweck der Ausbeutung in der Bauwirtschaft betrieben wurde“, so Stefan Zingerle von der Beratungsstelle MEN VIA, die seit 2013 im Auftrag des Sozialministeriums männliche Betroffene von Menschenhandel betreut. Grundsätzlich sind laut Zingerle solche Fälle im Niedriglohnsektor keine Seltenheit: „Speziell in der Bauwirtschaft, wo ein hoher Kostendruck herrscht, kommt es wiederholt vor, dass Arbeiter nur einen Teil ihres Lohns bekommen.“

Im konkreten Fall ging es um fünf Rumänen, die in ihrer Heimat als Bauarbeiter angeworben wurden. Ihnen wurde für Tätigkeiten in Österreich ein monatlicher Verdienst von 1.200 Euro zugesichert. Die Männer landeten ab 20. September 2015 auf Baustellen in Wien und Tulln, wo sie dann über Wochen hinweg keinen Lohn bekamen. Die 200 Euro, die ihnen insgesamt für ihre Verpflegung zugesteckt wurden, reichten bei weitem nicht für eine menschenwürdige Versorgung mit Essen und Trinken aus und sie mussten richtig Hunger leiden. Als sich dann die Unzufriedenheit der ausgebeuteten Männer nicht mehr unterdrücken ließ, wurden sie an einen anderen Bauleiter vermittelt, der sich ebenfalls nicht an seine Zusagen hielt. Vielmehr wurden die Betroffenen mit Drohungen („Vergesst nicht, dass ihr zu Hause Familien habt“, „Gemeinsam mit meinen Freunden werde ich dich finden und erledigen“) eingeschüchtert und zum Weiterarbeiten gezwungen. Sie sollten auf den Baustellen ihre „Mietschulden“ abarbeiten!

Bei einem dieser Arbeitseinsätze kam es zu einem Arbeitsunfall, wobei einer der Männer von einem Dach sechs Meter in die Tiefe stürzte und sich dabei Verletzungen zuzog. Er war ungesichert auf dem Dach unterwegs. Obwohl der Arbeiter vorübergehend sogar das Bewusstsein verlor, wurde keine Erste Hilfe geleistet und kein Rettungsdienst verständigt. Erst nach Feierabend durfte der Mann von seinem Quartier aus die Rettung anrufen und sich in Behandlung begeben.

Im Laufe der nachfolgenden Ermittlungen suchten die fünf Betroffenen um Beistand und nahmen die Hilfe von MEN VIA in Anspruch. Sie wurden vorübergehend in einer Schutzwohnung untergebracht und werden seither von der Einrichtung des Männergesundheitszentrums betreut. Der Großteil von ihnen lebt mittlerweile nicht mehr in Österreich.

Formen der modernen Sklaverei finden sich damit auch mitten hier in Österreich.

Quelle: APA

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2 Antworten auf „Österreich: Sklaven am Bau“

von welchen Unternehmen wurden diese Personen beschäftigt? Waren die Vermittler selbst die Auftragnehmer? War das Schwarzarbeit?

Zu dem oben angeführten Fall gab es am 8.11. 2016 eine Gerichtsverhandlung, die mit einem Freispruch endete. Lt. ORF.at hatten die zeugenschaftlichen Einvernahmen der angeblichen Opfer den Strafantrag relativiert. Die Männer verwickelten sich in Widersprüche bzw. standen ihre Angaben teilweise im Gegensatz zu ihren Aussagen vor der Polizei. Fest steht, dass die Rumänen nicht als Schwarzarbeiter beschäftigt wurden, als sie zu arbeiten begannen. Auch der ursprünglich geschilderte Arbeitsunfall – ein 24 Jahre alter Mann war von einem Dach gestürzt – stellte sich dann in der Gerichtsverhandlung anders dar. Der junge Rumäne wurde bei dem Unfall ohne Fremdverschulden nur leicht verletzt.

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