Digitalisierung: Clickworker

Viel wird derzeit von „Digitalisierung“ der Arbeitswelt gesprochen und wie wichtig dies für die Zukunft ist. Doch was ist es wirklich, was hier auf die Arbeitnehmer zukommt? Einige Beispiele für diese neue Arbeitswelt gibt es schon heute, doch die Wahrheit dahinter sind oft prekäre Arbeitsverhältnisse und Formen, die teilweise moderne Sklaverei sind. Insbesondere dort wo es sich um sog. „zero-hours contracts” handelt, ist die Gefahr groß, in Abhängigkeiten zu geraten, die keinen Ausweg aus der Armut zulassen. Zur Erklärung: Ein Null-Stunden-Vertrag (englisch zero-hours contract) ist ein Vertrag, bei dem die Parteien vereinbaren, dass die eine Partei Dienste für die andere Partei erbringt und dafür eine Vergütung erhält. Die Besonderheit besteht darin, dass vertraglich eine Mindestbeschäftigungszeit von null Stunden festgelegt wird. Der Dienstverpflichtete soll nur dann tätig werden, wenn der Dienstberechtigte einen entsprechenden Bedarf an der Dienstleistung hat.1

Das hört sich auf der einen Seite sehr toll an, fallen Entlohnungen doch nur dann an, wenn wirklich eine Tätigkeit verrichtet wird. Für das Unternehmen sehr interessant auch, da die Sozialabgaben wegfallen, bzw. diese dem Auftragnehmer übertragen werden. Allerdings heißt dies gleichfalls, dass der Arbeitnehmer ständig verfügbar sein muss. Außerdem befindet er sich meistens in einer Wettbewerbssituation mit anderen. Wer also schneller zugreift und und schneller fertig ist, bekommt den „Lohn“ – alle anderen gehen leer aus.

Was aber sind nun  Clickworker überhaupt? – Clickworker, das sind eine große anonyme Masse an Menschen, die unterschiedlichste Tätigkeiten verrichten: sie verfassen Beschreibungen, Anleitungen und Werbetexte, etwa für Onlineshops, oder kategorisieren Bildern und verrichten einfache Programmierarbeiten. Sie arbeiten über Plattformen wie Clickworker oder Freelancer. Dabei werden die meist komplexe Aufgaben in viele kleine Teilaufgaben zerlegt und auf die Arbeitssuchenden verteilt, damit die Anforderungen an die Tätigkeit niedrig gehalten werden.

Auch wenn sich dies jetzt vielleicht ganz super und liberal anhört, so bringt es in vielen Fällen nur größere Unsicherheit und auch Unfreiheit. Es wird den Menschen dabei nämlich zugemutet, sich darauf einzulassen, dass sie für ihre Arbeit „vielleicht bezahlt“ werden (wie etwa beim sog. Crowdworking) oder eben, dass sie „vielleicht zur Arbeit angefordert“ werden (Zero-Hour-Contracts) und sich dazu ständig zur Verfügung halten müssen.

Da, wie schon oben erwähnt, die Steuern und Sozialabgaben dem Auftragnehmer übertragen werden, ist es nicht verwunderlich, dass diese natürlich fast niemand zahlt. Somit ist „Clickworking“ nicht selten einfach Sozialbetrug, der den Sozialstaat schwächt. Denn wer dann im Falle des Falles, Krankenversicherung, Unfallversicherung, Pension etc. zahlt, bleibt offen. Die Arbeitnehmer mit den nun sehr geringen Einkommen, wenn überhaupt, werden dafür kaum in der Lage sein.

Aber wie gestaltet sich nun das Leben eines solchen „Clickworkers“ in der Praxis? Jakob Pallinger beschrieb die Situation einer Graphikerin im Standard2:

Weil die selbstständige Graphikerin anfangs nur schwer Kunden für ihr Grafikbüro in Wien fand, begann sie vor drei Jahren, nach zusätzlichen Einkommensquellen im Internet zu suchen. Sie registrierte sich auf verschiedenen Plattformen, gab ihre Zahlungsdaten an und erstellte Logos für Kunden, die sie nie in ihrem Leben zu Gesicht bekam. „Man steht bei der Arbeit in ständigem Wettbewerb. Für die verschiedenen Aufgaben werden Bewerbe ausgeschrieben, nur ein Arbeiter gewinnt mit seinem Logo und wird von den Kunden bezahlt“, sagt sie. Wöller habe zwar meist von in der Früh bis am späten Nachmittag auf den Websites gearbeitet, zum Leben habe das Einkommen jedoch nicht gereicht. „Ich habe viel Zeit investiert, aber nicht immer gewusst, ob ich dafür bezahlt werde.“

Laut einer Studie der Universität Hertfordshire von 2016 gaben rund 18 Prozent der Österreicher an, im Jahr 2015 zumindest einmal über Crowdwork-Plattformen gearbeitet zu haben. Geleistet wird diese Form der Arbeit vor allem von Menschen, die wenig Möglichkeiten und/oder ein geringes Einkommen haben. Nur für die wenigsten ist die Tätigkeit die einzige Einkommensquelle, heißt es in der Studie. Wer nun denkt, dass es sich bei den Crowdworkern eher um junge Menschen handle, irrt. Denn nur elf Prozent der Befragten waren Studenten.

Jetzt vertreten einige die Meinung, dass diese „Arbeiter“ keine „Arbeiter“ im herkömmlichen Sinn sind, sondern eigentlich Selbständige. Denn sie haben sich bewusst und ohne Zwang für diese Tätigkeiten entschieden. Sicher kann man nun darüber streiten, dass es nicht fair sei, Menschen auf diese Art zu beauftragen (kurzfristig, projektbezogen, ohne Option auf weitere Aufträge). Was man aber nicht vergessen darf: in Österreich etwa herrscht das Prinzip der Vertragsfreiheit. Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Eine Werbeagentur wird z. B. auf die selbe Art beauftragt, wie dies für einen „Crowdworker“ geschieht.

Man merkt somit schnell, in welcher Grauzone sich die Entwicklung zur sog. Digitalisierung abspielt und wie viele Gefahren, speziell für jene, die auf solche Jobs angewiesen sind, im „Verborgenen“ lauern. Dezentralisiertes Arbeiten ohne Anknüpfungen schaut auf den ersten Blick gut aus, kann aber schnell in prekäre Arbeitsverhältnisse und Armut führen. Und von da ist der Weg in die moderne Sklaverei nicht mehr weit.

Hier dazu noch eine die obigen Ausführungen ergänzende Doku:

1 Wikipedia (2018): Null-Stunden-Vertrag. Hg. v. Wikipedia. Internet. Online verfügbar unter https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Null-Stunden-Vertrag&oldid=177718469, zuletzt aktualisiert am 24.05.2018, zuletzt geprüft am 24.05.2018.

2 Jakob Pallinger (2018): Die schöne neue Welt der digitalen Tagelöhner. In: Der Standard. Online verfügbar unter derstandard.at/2000089169591/Die-schoene-neue-Welt-der-digitalen-Tageloehner, zuletzt geprüft am 12.10.2018.

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